von Helmut W. Malnig
(All illustrations reproduced by courtesy of USNI Proceedings)
1. Der arktische Ozean
Wenn wir an die Arktis denken, dann kommen wir meist zu Clichés wie: Eisberge, Eisbären, Mitternachtssonne und Nordlicht! Die beiden Letzteren mögen noch zutreffen, aber das Eis ist ein schwindender / verschwindender Faktor in der Ökologie, wodurch die empfindliche polare Umwelt bedroht wird.
Zur Zeit erlebt die Arktis außergewöhnliche Veränderungen! Sie hat sich in letzter Zeit zweimal so schnell erwärmt wie der Rest unseres Planeten. Wie kam es dazu? Es ist ein natürliches Phänomen und jenseits menschlichen Einflusses! Bereits der Polarforscher Carl Weyprecht hat 1875 auf den globalen Einfluss des Polareises für das Weltklima hingewiesen.
Die Kontinentalschelfe der Welt, die reiche Rohstoffquellen versprechen, liegen zu 22 % in der Arktis.
Anrainerstaaten: Norwegen, Russland, USA, Canada, Island und Grönland (Dänemark)
Die Ausdehnung beträgt 14 089 600 km² um den Nordpol, zu dem es zwei Verbindungen: gibt: Die Beringstraße zum Pazifik und das Norwegische Meer zum Atlantik.
Das Wintereis, welches 1 – 4 m Dicke erreicht und das gesamte Becken bedeckt, geht um 3.5 % pro Dekade zurück, während die Veränderung im Sommer dieses Maß bei weitem übersteigt. Wir unterscheiden zwischen dem polaren Packeis, Treibeis und dem Kontinentaleis wie auf Grönland und den gegenwärtigen Permafrost Regionen von Russland und Nordamerika. Das Schmelzen des Polareises eröffnet die nördlichen Passagen, es wirkt sich aber nicht auf den Meeresspiegel aus, da 85 % bereits in seiner Wasserverdrängung erfasst sind. Andererseits würde der Schwund / das Schmelzen der Eiskappe auf Grönland verstärkte Meeresströmungen und weltweite Überschwemmungen von Küstengegenden mit sich bringen.
Das Tauen der Permafrost Regionen ist ein langwieriger Prozess, während dessen die Natur langsam nach Norden wächst und gegenwärtig Morast und unstabilen Boden erzeugt.
Diese Ereignisse werden vom Arctic Council (AC), einem Forum, im Norden beobachtet und analysiert; hier werden unter den arktischen Staaten gemeinsame Aktionen gesetzt.
1.2 Der physikalische Prozess des Eisschmelzens
Als die Eiskappe des Nordpols ziemlich stabil bzw. eher in einem Zustand des Anwachsens war, reflektierte sie die meiste Sonnenstrahlung. Jetzt hingegen bei einer pro Jahr um 3 % schwindenden Eis-Oberfläche erzeugt das Arktische Meer eine geringere Reflektion bei einer reziprok steigenden Absorption und damit weiteren Eisschmelze. Das ständige Schwinden des Sommer- und Wintereises wird schließlich zu einer offenen Seeoberfläche führen, die zumindest während einer verlängerten Sommerperiode navigierbar ist. Die Erwärmung der nördlichen Hemisphäre bewirkt eine weitere Erwärmung der Äquatorial Ströme der Thermohalinen, welche durch die Coriolis Ablenkung und Westwinde den Golfstrom mit seinen nördlichen Ausläufern zur Arktis erzeugen. Aber die höheren Wassertemperaturen der Arktis werden den Temperaturgradient, welcher der Haupttreiber dieses Konvektions-Systems darstellt, zwischen Nord und Süd verringern. Das könnte innerhalb weniger Jahrzehnte zu einer weiteren Verringerung bis zum Versiegen des Golfstromes führen, die Auswirkungen sind heute wegen der Wechselwirkung mit den gegenwärtigen Meeresströmungen noch nicht erfassbar aber mehrfach als negativ zu werten. Etwas anders wirkt das Schmelzen des Kontinentaleises z.B. auf Grönland, da dies eine im Land enthaltene Eismasse ist. Das totale Schmelzen würde einen möglichen Anstieg des Meerespegels bis zu 7 m bedeuten, welches eine Überschwemmung großer und dicht bevölkerter Landstriche mit sich bringen würde.
Schließlich kommt die Einwirkung auf die Pol umgebenden Gegenden, wenn der Permafrost unter der Oberfläche taut. Die gefrorene Oberfläche der Tundra wird von den Sonnenstrahlen erwärmt, sodass das Eis zu tauen beginnt, das Wasser dringt in tiefere Bodenlagen und friert schließlich wieder jeden Winter. Dieser zyklische Vorgang läuft über viele Jahre und setzt für die Ökologie giftige Kohlendioxid und Methangase frei, die den Glashauseffekt weiter verstärken.
2. Positive Auswirkungen und die Herausforderung
Obwohl die Gründe dieser intensiven Erderwärmung im Dunklen (CO2– Emission, Protuberanzen?) liegen, insbesondere die Arktis betreffend, lassen sich zumindest deren Auswirkungen erkennen, an die sich der Mensch anpassen kann.
2.1 Geopolitische Veränderungen
Neuerdings zeigen Karten des Arktischen Ozeans zu unserer Verwunderung diesen bereits gänzlich unter den Anrainer-Nationen aufgeteilt, indem diese zu ihrer 12 Meilen Territorialzone ihre EEZ und ECS addiert haben und somit gemeinsame Grenzen aufweisen. Die EC ist dabei die problematischste Zone. Gewiss wird Canada seine territorialen Gewässer nicht für eine freie NW-Passage opfern, noch wird Norwegen den fremden Fischfang auf seinem Schelf dulden. Allerdings erlaubt das internationale Seerecht freien Zugang, Durchfahrt und die Nutzung der Meere.
2.2 Militärische Aspekte
Eigentlich hat nur Russland eine jahrzehntelange Erfahrung in der Kontrolle der arktischen Seewege, denn es fühlte sich am meisten durch den freien Zugang zur Arktis gefährdet. Die USA hätte das Potential, sich in der Arktis voll zu engagieren, hingegen können Canada, Norwegen und Dänemark diese riesigen neuen Gebiete und deren lange Grenzen bestenfalls nur mit Hilfe der NATO einigermaßen überwachen.
2.3 Wirtschaftliche Auswirkungen
Die anliegenden Länder werden einen großen wirtschaftlichen Aufschwung erleben auf Grund der Vorkommnisse an Mineralien, Öl, Gas und Fisch in ihrer EEZ, von der das Meer und das Schelf ausgebeutet werden können. Natürlich werden sie Zielpunkt menschlicher Zuwanderung sein. Insgesamt werden aber alle Nationen von den verkürzten Seerouten zwischen Europa und Nord Amerika und Asien profitieren.-
2.3.1 Seefahrt
Heute erlauben nur die Sommermonate zwischen Juli und Mitte September freie Seefahrt. Mit Ausnahme strenger Winter ist die NO-Route unter Nutzung russischer Eisbrecher als Vorsichtsmaßnahme befahrbar. Verglichen mit den heutigen Schifffahrtswegen ist ein Gewinn von mindestens 4 000 Seemeilen zwischen Europa und Asien machbar. Ein ganzjährig eisfreier Ozean mit direkter Überquerung des Poles ist noch immer ein Wunschtraum, der sich in etwa einem halben Jahrhundert erfüllen könnte.
Da die neuen Schifffahrtswege einige der EEZ und ECS der angrenzenden Staaten durchqueren, müssen sie von Küstenwache und Luftaufklärung überwacht werden, um ihre sichere Passage, SAR- Operationen und Verhinderung der Verschmutzung zu gewährleisten und dies zum Schutze der Souveränität der Staaten, ihrer Fischerei und des Wildlebens.
2.3.2 Die Ausbeutung der Naturvorkommen
Viele Naturvorkommen von Mineralien, Öl und Gas werden bereits an arktischen Küsten und auf Kontinentalschelf abgebaut, Letztere von off-shore Plattformen durch nationale (Russland) oder internationale Gesellschaften. Der Transport erfolgt auf dem Seeweg innerhalb der EEZ, was gesetzlich durch UNCLOS geregelt wurde. Die Ausbeutung der Bodenschätze des ECS beruht auf einer Interpretation des Begriffes „Schelf“ und der bezüglichen Verhandlungen unter den AC Mitgliedsstaaten.
2.3.3 Fischerei
Internationale Fischerei wird wahrscheinlich in der EEZ nicht erlaubt sein und sich auf die ECS oder die freien Zonen beschränken. Durch den kontinuierlichen Rückgang des Eises wird sich die Fischerei nordwärts bewegen, sicherlich auf Grund des in Zukunft wärmer werdenden Wassers werden die Fische gesünder und robuster gedeihen.
2.4 Der menschliche Faktor
Mit dem Erwärmen der Arktis wird unvermeidlich die Natur nordwärts wandern und schließlich auch der Mensch, obwohl dies noch viele Jahrzehnte in Anspruch nehmen kann.
Zuerst wird der Mensch als wissenschaftlicher Forscher und Beobachter erscheinen, dann als Erdölarbeiter, als militärischer Schutz und als Tourist.
2.4.1 Technische und wissenschaftliche Aspekte
Derzeit begreifen wir den arktischen Aufwärmprozess kaum, daher müssen wir seine Auswirkungen studieren, analysieren und uns ihm anpassen. Die Ozeanographie, Geologie, Meteorologie, Glaziologie und viele andere Wissenschaften werden angewandt, was für unsere Universitäten und wissenschaftliche Institutionen eine echte Herausforderung darstellen kann. Die internationale Nutzung der Arktis für wissenschaftliche Zwecke ist
vordringlich.
2.4.2 Rechtliche Aspekte
UNCLOS und Abmachungen der AC stellen die Grundlage für Verhandlungen der ECS-Regionen dar, obwohl die USA keine Signatarmacht ist. Jedoch sollten die polar-interessierten Staaten auch eine Mitsprache anstreben!
3. Negative Auswirkungen und Vorkehrungen
Während einige Staaten durch die nationale Aufteilung der Polarregionen direkt von der Aufwärmung profitieren werden, werden alle an Meere grenzenden Staaten der Welt später einmal Opfer einer teilweisen aber permanenten Überschwemmung ihrer Küsten werden. Obwohl dies eine „force majeure“ darstellt, sind wir alle davon betroffen! Es geht dann um direkte Hilfe und um die Sorge für Abermillionen von Flüchtlingen.
3.1 Politische Probleme
Mit dem Verschwinden der Pufferzone des Arktischen Ozeans könnten Konflikte und Grenzstreitigkeiten leichter provoziert werden und so eine potentielle Gefahr bedeuten. Ferner könnten auch Probleme wegen Souveränitätsverletzung der EEZ und ECS entstehen oder durch Missachtung der Seerechte bei Nutzung der kontrollierten und geschützten Seefahrtswege.
3.2 Die Verschmutzungsgefahr
Wegen der verkürzten und attraktiveren Handel-Seefahrtsrouten, eines blühenden Tourismus, des Bohren nach Kohlenwasserstoffen und ihrem Abtransport besteht höchste Gefahr der Verschmutzung der See. An Land kann die Zerstörung, verursacht durch den Menschen und seine Nutzfahrzeuge, in der Verwüstung der seltenen und delikaten Flora, die aus Flechten, Moosen, Algen und seltenen Blumen besteht, resultieren.
Die Vielfalt des Vogellebens in der Arktis ist ein wahres Naturwunder. Da sich die Vögel auch von menschlichem Abfall nähren, ist ihr Überleben anscheinend nicht gefährdet. Aber stimmt das wirklich? Das Schwinden und Verschwinden des Eises bedroht auch viele Spezies und einige riesige Säugetiere vor dem Auslöschen, wie der Grönlandwal, der Beluga, der Narwal, das Walross, verschiedene Familien des Delphins und der Robben und schließlich deren natürliche Jäger: die Eisbären! Weite Gebiete der Polarzone müssen für die Anlage von Naturschutzgebieten zur Rettung von Natur und Wildleben verwendet werden, um dieses großartige Schauspiel für Wissenschaft und Tourismus zu erhalten.
Erklärungen, Abkürzungen
AC Arctic Council, Mitgliedsstaaten: Canada, Dänemark, Finnland, Island, Norwegen, Russland, Schweden und USA
Coriolis Effekt: die Ablenkung jeder erzwungenen Bewegung nach rechts auf der nördlichen Erdhalbkugel auf Grund der Erdrotation
ECS Extended Continental Shelf, der Kontinentalsockel könnte um weitere 200 Seemeilen erweitert werden
EEZ Exclusive Economic Zone, 200 Seemeilen weit, betrifft Ozean und das Meeresbett gleichfalls
Hydrokarbonate Rohöl und verbrennbare oder chemisch verwertbare Gase
NO, NW Nordost, Nordwest
SAR Search and Rescue, Nothilfe
Thermohaline: betrifft die Wechselwirkung von Temperatur und Salinität in den Ozeanen
UNCLOS UN Convention on the Law Of the Sea