Der 1. Torlauf der Schigeschichte


Der Jahrhunderte alte nordische Schilauf fand in den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts durch die Reiseschilderungen des norwegischen Forschers Fridtjof Nansen auch im westlichen Niederösterreich große Beachtung.

Der Lilienfelder Lehrer und Erfinder Mathias Zdarsky war einer von den Begeisterten. Er erkannte jedoch sehr bald, dass das steile Gelände der Voralpen einen anderen Schi und vor allem eine andere Fahrtechnik erforderte. Zdarsky verbesserte die Schibindung und machte den Schi kürzer.

Zdarskys Stahlsohlenbindung wurde 1896 zum Patent angemeldet. Das Patent wurde genehmigt und auch für Norwegen erteilt. Er selbst bediente sich zunächst der altnorwegischen Einstocktechnik, da er auf den steilen Hängen und bei tiefer Schneelage damit besser zurecht kam und weil sie mit weniger Anstrengung zu fahren war als die neunorwegische Doppelstocktechnik.

Aus seinen Erfahrungen entwickelte er ab 1890 die „Lilienfelder Skilauftechnik“, das erste Schilehrbuch der Schigeschichte. Zdarsky veröffentlichte dieses Werk im Spätherbst des Jahres 1896 und er gilt damit als einer der Väter der alpinen Schifahrtechnik.

Am 5. Jänner 1905 kam es am Schneeberg, in der Breiten Ries, zu einem Qualitätsvergleich zwischen dem langen norwegischen Schi und dem kürzeren österreichischen. Mathias Zdarsky entschied diesen Vergleich für sich, der Norweger Hassa Horn kam mit seinen langen Schiern auf dem steilen und hindernisreichen Gelände nicht so gut zurecht. Mathias Zdarsky und der ursprünglich skeptische Hassa Horn tauschten daraufhin ihre Schier und wurden gute Freunde.

Am 19. März 1905 fand am 1246 m hohen Muckenkogel bei Lilienfeld der erste Torlauf der Schigeschichte statt. Zur Erinnerung an diesen denkwürdigen Torlauf vom Gipfel des Muckenkogels veranstaltet die Nostalgiegruppe Traisen alljährlich das weltweit einzige Schirennen, das noch unter streng historischen Bedingungen gefahren wird. Die Schipiste wird nicht präpariert und die Tore werden mit Haselstangen ausgesteckt. Die Läufer tragen Lederschnürschuhe. Gefahren wird mit der altnorwegischen Einstocktechnik wie zur Zeit Mathias Zdarskys und Hassa Horns.

Die Idee des Torlaufs war nicht nur auf Lilienfeld allein beschränkt. Auch alpine Vereine anderer Länder übten sich in dieser Disziplin. Der englische Schipionier Sir Arnold Lunn, Mitbegründer des Kandahar-Ski-Club im schweizerischen Mürren, hat einen kurzen Torlauf geschaffen, den er „Slalom“ nannte. Lunn wurde von den Norwegern heftig kritisiert, weil er eine „unnorwegische Angelegenheit mit einem norwegischen Ausdruck“ bezeichnete. Lunn bedauerte, dass er Zdarskys Bezeichnung „Torlauf“ für diese Sportart nicht schon früher kannte, sonst hätte er diesen treffenden Ausdruck für das „Kandahar-Rennen“ verwendet. Und so wurde eine österreichische Erfindung in der Schweiz von einem Engländer mit einem norwegischen Namen benannt.

Text: Ing. Friedrich Kager
Bild: Bildarchiv Bezirksmuseum Lilienfeld